Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 demonstrieren überall im Iran Tausende gegen die politische und geistliche Führung des Landes. Abschottung, Zensur und Internetsperren sorgen dafür, dass die mediale Berichterstattung nachgelassen hat. Die Ausstellung in der Stadtbücherei Linden, Lindener Marktplatz 1, soll diesem Vergessen entgegenwirken.
16. September 2022 stirbt die 22-jährige iranische Kurdin Jina ahsa Amini in Folge brutaler Polizeigewalt. Sie war verhaftet worden, weil sie ihr Kopftuch nicht nach den strengen Kleidungsvorschriften getragen haben soll. Ihr Tod löste eine landesweite Protestwelle aus. Überall im Iran demonstrierten Tausende gegen die politische und geistliche Führung des Landes. Sie rufen „Jin.Jîyan.Azadî“ auf Deutsch „Frau.Leben.Freiheit.“ Dieser Slogan in kurdischer Sprache steht für die Auflehnung der Bevölkerung gegen das politische System. Ungeachtet dieser Proteste gehen Geheimdienst, Polizei und Milizen hart gegen Demonstrierende vor. Hunderte Menschen sind zu Tode gekommen. Besonders betroffen sind Frauen. Sie demonstrieren, obwohl
ihnen bewusst ist, dass sie dafür inhaftiert, vergewaltigt, misshandelt und getötet werden können. Im Iran sind Frauen rechtlich nur die Hälfte eines Mannes wert. Vor Gericht müssen zwei Frauen aussagen, um der Aussage eines Mannes gleichzukommen. Der gesellschaftliche Stellenwert eines Frauenlebens kommt in der Aussage eines Geistlichen zum Ausdruck: Gott habe drei Arten von Tieren geschaffen. Zum einen Tiere, um Menschen zu transportieren. Dann Tiere, um Menschen zu ernähren. Die dritte Art von Tieren seien die Frauen. Wie Ziegen oder Kühe seien sie geschaffen worden, damit Männer sie benutzen könnten. Dieser menschenverachtende Blick auf Frauen ist Staatsdoktrin und führt dazu, dass Frauen als Objekte gelten und systematischer sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind.
„Alle sind auf den Straßen. Alle schauen auf die Frauen, denn sie sind die Anführerinnen. Das ist großartig .“ Demonstrantin Teheran
Die Ausstellung stellt thematische Tafeln von Amnesty International und Aufnahmen der Fotografin Laila Sieber zusammen. Die Fotografien entstanden im Herbst und Winter 2022/23 in Berlin und zeigen die Protestbewegung der dortigen iranischen Diaspora in ihrer Solidarität und Unterstützung der revolutionären Bewegung in Iran
Nachdem die junge Kurdin Jina Mahsa Amini aufgrund von Polizeigewalt starb, fand sich auch die iranische Diaspora in einem Ausnahmezustand wieder. In Berlin haben sie sich in neu gegründeten Kollektiven zusammengefunden, machen auf die Situation in sozialen Medien aufmerksam, organisieren Performances und Demonstrationen.
Laila Sieber arbeitet als freie Reporterin, Fotojournalistin und visuelle Künstlerin. Sie beschäftigt sich in Langzeitprojekten mit gesellschaftspolitischen Themen und nähert sich Menschen und Orten aus einer offenen Perspektive an. Es ist ihr wichtig, Stereotype zu hinterfragen und Kontext zu reflektieren. Sie arbeitete als Kameraassistentin, als Bildredakteurin bei der Wochenzeitung DIE ZEIT und als Fotografin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ihre Arbeiten wurden international ausgestellt und u.a. von DIE ZEIT, DER SPIEGEL, Süddeutsche Zeitung, Aljazeera, Fluter, F.A.Z. und F.A.S. veröffentlicht.